Konzert vom 4.11.2018 aus der Flora in Köln
… Der frische und helle Klang des Orchesters und die präzise Formation, luftig und fein ziseliert, dürfte auch dem letzten Zuhörer im sehr gut gefüllten Saal der Flora die letzten Schlafreste aus den Augen vertrieben haben. (Hugo Wolf „Italienische Serenade, Fassung für Streichorchester) …
… Das Kammerorchester spielt immer ohne Dirigent und so aufmerksam, dass Torsten Janicke mit kleinesten Bewegungen seine Leute im Griff hatte – ganz ohne exzessive gymnastische Übungen, wie sie oft zu erleben sind. Diese Harmonie war auch in den Pedalfugen Nr. 1 und 5 von Robert Schumann zu erleben als Transkription für neun Streicher von Xaver Paul Thoma ursprünglich im Auftrag der Staatsoper Stuttgart …
… Solist der Matinee war der überragende Bonian Tian, seit 2010 Solocellist im Gürzenich-Orchester. Der Chinese, international unterwegs und vielfältig dekoriert, ist Professor in Frankfurt und Peking und ein Glücksfall für Köln. Man konnte ihn oftmals mit seinem Orchester solistisch erleben, seinen schmelzenden, zu Tränen rührenden Ton, seine mühelos erscheinende Technik, seine überaus hohe Musikalität, mal zärtlich, dann hochvital und erneut wieder romantisch. Und seine lockere Art mit den Kollegen über die Mimik zu kommunizieren.
Strawinskys „Suite Italienne“ mit zahlreichen Tanz-Elementen ist vielfach transkribiert worden, zuletzt von Benjamin Wallfisch für Cello und Streichorchester, eine spritzige und quirlige Musik und beinahe ein Doppelkonzert für Violine und Cello. Nach der rauschenden Schlusscoda des vorletzten Satzes musste der Solist erst mal tief durchatmen – und sein Publikum ebenso. Charmant kündigte Tian dann die für den überreichen Applaus verdiente Zugabe an, die „Larmes (Tränen) de Jacqueline“, ein Schmachtstück vom großen Kölner Jaques Offenbach; Musik zum tiefen Versenken, durchaus auch mit ein paar eigenen Tränchen. Es wäre nur Schmalz, wenn es nicht so stringent und musikalisch perfekt gespielt worden wäre.
Tschaikowsky, der Komponist von „Souvenir de Florence“, hatte häufig in Italien gelebt. Daraus entsprangen das „Capriccio Italien“ und später aus Florenz sein Streich-Sextett, an diesem Vormittag eine Bearbeitung von Matthias Kaufmann für kleines Streichorchester. Voll toskanischer Sonne, sinnlicher Stimmung und positiv im Leben – eine Spiegelung seines Gemütes und seiner Stimmung. Auch hier blühte das Kammerorchester auf, zum Schmachten, zum verzückten Hören, zum Staunen …
(aus Choices, November 2018, Autor: Dr. Michael Cramer)
[shariff]